Nachtspaziergang
Ich gehe alleine durch die Nacht - durch die Stadt - durch eine Gegend, in der ich sonst selten bin. Zu einer Zeit, in der die Stadt kurz vorm Erwachen ist, vielleicht das erste mal aufwacht, verschlafen blinzelt, um sich dann doch noch mal kurz umzudrehen bis sie ganz wach ist, lospoltert, transportiert und produziert.
Es ist fast schon ungewöhnlich geworden, sich so langsam durch die großen Häuser und Hallen zu bewegen und erstaunt zu beobachten, was einem alles ins Auge fällt. Die Dinge, die dem sonst so flüchtigen Wahrnehmen meist verborgen bleiben.
Wieder einmal staune ich darüber, dass sich die Natur in diesem grauen Koloss ihr Recht nicht steitig machen lässt und überall hervorsprießt, meinen Weg umlenkt und im Dämmerlicht seltsame Schemen bildet, während es nach warmem Asphalt und den Sonnenresten eines herrlichen Sommertages riecht.
Vielleicht mit den Gedanken über schöne Sommertage fallen mir Gesichter und Worte vergangener Tage ein - Menschen, die ich mehrere Jahre oder auch nur einige Tage nicht gesehen habe und die doch Teil von mir sind. Teilhaben an meiner Art, die Dinge zu sehen, zu staunen und mich zu freuen. Die mir auf ihre eigene Weise ihre Geduld, ihre Wunder und ihre Zärtlichkeit zum Ausdruck gebracht haben. Die ich dafür liebe, dass sie sich und ihre Zeit mit mir geteilt haben und dadurch nun ein Teil von mir sind.
Und während ich in der Vergangenheit schwelgend durch die nächtlich einsamen Straßen laufe, fällt mir auf, dass sich auch die Stadt auf ihre Weise alte Erinnerungen bewahrt.
Da ist ein Fahrradständer, geziert von der bröckelnden Reklame einer Zigarettenmarke, die es schon seit Jahren nicht mehr gibt. Eine junge Frau in einem weißen Kleid raucht darauf lächelnd eine Zigarette. Eine Frau, die mittlerweile sicher nicht mehr so jung ist und vielleicht längst nicht mehr raucht. Etwa wie die nicht mehr ganz schlanke Mittvierzigerin, die ich auf meinem Weg sehe und die in Leggins und Birkenstocksandalen die Zeitungen für den nächsten Morgen austrägt.
Da ist ein vergessener Hinterhof, in dem das Gras langsam über ein wohl mit Lackfarbe gemaltes "Himmel und Hölle"-Feld wächst. Ich mache einen Schritt auf die lockeren Pflastersteine zu und lausche, ob vielleicht der dazugehörige Kehrreim noch zwischen den dunklen Backsteinwänden klingt - doch der Hof wahrt sein Geheimnis und hinterlässt in mir nur eine Ahnung des Kinderliedes von einst.
In großen Lettern steht ein Firmenname an einer alten Flanschenfabrik. Nichts zeugt jedoch davon, dass hier noch jemand arbeitet - Erinnerung an einstige Blütezeiten, oder alltäglicher Arbeitsraum für Dutzende von Menschen? Den Buchstaben an der Wand ist es egal - sie werden ausharren und möglicherweise gerade durch ihre Altertümlichkeit auffallen.
Da ist diese alte Pizzeria, in der ich wohl eins meiner ersten romantischen Abendessen zu zweit verbracht habe, mit mühsam erspartem Taschengeld und zitternden Knien - mit Schmetterlingen bei der ersten Berührung und Angst vor dem ersten Kuss. Die Figur, der die Pizzeria ihren Namen verdankte, lacht mir noch von der Wand entgegen - auch wenn das Haus mittlerweile eine Bäckerei beherbergt. Der Bäckerlehrling, der heftig an einem Klumpen Teig herumknetet, bemerkt mich nicht - dafür bilde ich mir jedoch ein, ein erinnerndes Blinzeln im Auge der Figur an der Wand zu erkennen.
So erkenne ich viele Zeichen der alten Tage - Steine, auf denen die ehemals neue Fassade nicht richtig hält, Balken mit neuem Anstrich, unter denen sich Jahreszahlen abzeichnen, alte Mauern, die Grundstücke rückwärtig begrenzen und eine rostige Wippe, versteckt unter wucherndem Gestrüpp.
In all diesen Gegenständen - Erinnerungen der Stadt. An die Menschen die hier leben und gelebt haben. Die ihren Wünschen und Ängsten eine Form gegeben haben, die die Stadt für sie archiviert. Die sie aufbewahrt für diese Stunde des schläfrigen Blinzelns, in der sie die Erinnerungen in offene Fenster und durch einladend beleuchtete Türen atmet und uns in unseren Träumen an die Menschen erinnert, die wir waren und die wir kannten.
Dennis
Es ist fast schon ungewöhnlich geworden, sich so langsam durch die großen Häuser und Hallen zu bewegen und erstaunt zu beobachten, was einem alles ins Auge fällt. Die Dinge, die dem sonst so flüchtigen Wahrnehmen meist verborgen bleiben.
Wieder einmal staune ich darüber, dass sich die Natur in diesem grauen Koloss ihr Recht nicht steitig machen lässt und überall hervorsprießt, meinen Weg umlenkt und im Dämmerlicht seltsame Schemen bildet, während es nach warmem Asphalt und den Sonnenresten eines herrlichen Sommertages riecht.
Vielleicht mit den Gedanken über schöne Sommertage fallen mir Gesichter und Worte vergangener Tage ein - Menschen, die ich mehrere Jahre oder auch nur einige Tage nicht gesehen habe und die doch Teil von mir sind. Teilhaben an meiner Art, die Dinge zu sehen, zu staunen und mich zu freuen. Die mir auf ihre eigene Weise ihre Geduld, ihre Wunder und ihre Zärtlichkeit zum Ausdruck gebracht haben. Die ich dafür liebe, dass sie sich und ihre Zeit mit mir geteilt haben und dadurch nun ein Teil von mir sind.
Und während ich in der Vergangenheit schwelgend durch die nächtlich einsamen Straßen laufe, fällt mir auf, dass sich auch die Stadt auf ihre Weise alte Erinnerungen bewahrt.
Da ist ein Fahrradständer, geziert von der bröckelnden Reklame einer Zigarettenmarke, die es schon seit Jahren nicht mehr gibt. Eine junge Frau in einem weißen Kleid raucht darauf lächelnd eine Zigarette. Eine Frau, die mittlerweile sicher nicht mehr so jung ist und vielleicht längst nicht mehr raucht. Etwa wie die nicht mehr ganz schlanke Mittvierzigerin, die ich auf meinem Weg sehe und die in Leggins und Birkenstocksandalen die Zeitungen für den nächsten Morgen austrägt.
Da ist ein vergessener Hinterhof, in dem das Gras langsam über ein wohl mit Lackfarbe gemaltes "Himmel und Hölle"-Feld wächst. Ich mache einen Schritt auf die lockeren Pflastersteine zu und lausche, ob vielleicht der dazugehörige Kehrreim noch zwischen den dunklen Backsteinwänden klingt - doch der Hof wahrt sein Geheimnis und hinterlässt in mir nur eine Ahnung des Kinderliedes von einst.
In großen Lettern steht ein Firmenname an einer alten Flanschenfabrik. Nichts zeugt jedoch davon, dass hier noch jemand arbeitet - Erinnerung an einstige Blütezeiten, oder alltäglicher Arbeitsraum für Dutzende von Menschen? Den Buchstaben an der Wand ist es egal - sie werden ausharren und möglicherweise gerade durch ihre Altertümlichkeit auffallen.
Da ist diese alte Pizzeria, in der ich wohl eins meiner ersten romantischen Abendessen zu zweit verbracht habe, mit mühsam erspartem Taschengeld und zitternden Knien - mit Schmetterlingen bei der ersten Berührung und Angst vor dem ersten Kuss. Die Figur, der die Pizzeria ihren Namen verdankte, lacht mir noch von der Wand entgegen - auch wenn das Haus mittlerweile eine Bäckerei beherbergt. Der Bäckerlehrling, der heftig an einem Klumpen Teig herumknetet, bemerkt mich nicht - dafür bilde ich mir jedoch ein, ein erinnerndes Blinzeln im Auge der Figur an der Wand zu erkennen.
So erkenne ich viele Zeichen der alten Tage - Steine, auf denen die ehemals neue Fassade nicht richtig hält, Balken mit neuem Anstrich, unter denen sich Jahreszahlen abzeichnen, alte Mauern, die Grundstücke rückwärtig begrenzen und eine rostige Wippe, versteckt unter wucherndem Gestrüpp.
In all diesen Gegenständen - Erinnerungen der Stadt. An die Menschen die hier leben und gelebt haben. Die ihren Wünschen und Ängsten eine Form gegeben haben, die die Stadt für sie archiviert. Die sie aufbewahrt für diese Stunde des schläfrigen Blinzelns, in der sie die Erinnerungen in offene Fenster und durch einladend beleuchtete Türen atmet und uns in unseren Träumen an die Menschen erinnert, die wir waren und die wir kannten.
Dennis
VdB - 22. Jul, 04:51